Von Martin Günthner, Senator a. D., Vorsitzender der SPD Bremerhaven und SPD-Spitzenkandidat zur Bürgerschaftswahl 2023 in Bremerhaven im VORWÄRTS
Wenn Anfang der 2000er Jahre von Bremerhaven die Rede war, dann meistens als Beschreibung des Niedergangs und der Perspektivlosigkeit an der Küste. 20 Jahre später hat sich das Bild deutlich verändert. Die Häfen sind mit Container- und Autoumschlag Motoren für Beschäftigung. Zwar ist der Boom in der Offshorebranche – befördert durch falsche und mutlose politische Entscheidungen im Bund – leider in sich zusammengebrochen. Aber mit dem gesammelten Knowhow gerade im Bereich von Forschung und Entwicklung und der Hafeninfrastruktur bestehen gute Chancen für die Zukunft der Seestadt. Dabei könnte Bremerhaven schon einen guten Schritt weiter sein, wäre der lange geplante Offshoreterminal nicht am engstirnigen Widerstand von Umweltorganisationen gescheitert. Die aktuell beschlossenen Ausbauziele für die Offshorewindindustrie, die ein zentraler Baustein für die Energiewende und zum Abbau der fatalen Abhängigkeit von russischem Gas sind, zeigen, wie dringend notwendig eine zukunftsfähige Hafeninfrastruktur für die Energiewende ist. Und es bewahrheitet sich wieder einmal: Infrastruktur ist die Voraussetzung für die Ansiedlung von Unternehmen und nicht umgekehrt.
Bausteine für eine gute Bremerhavener Zukunft
Mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), den Fraunhofer Instituten, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raum- fahrtforschung (DLR), dem Thünen-Institut für Seefischerei und für Fischereiökologie und der Hochschule Bremerhaven hat die Stadt eine starke wissenschaftliche Ausgangsbasis. Wer Bremerha- ven als Hafen-, Fischindustrie- und Werftenstadt kennt, reibt sich die Augen angesichts von mehr als 3.000 Arbeitsplätzen in der Wissenschaft. Und hier gibt es Potential für mehr. Das Zusammenspiel zwischen Hochschulausbau und Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen ist ein Baustein für die Zukunft und Wachstumstreiber. Wenn durch den Ausbau der Offshorewindanlagen auf See Fischgründe eingeschränkt werden, gleichzeitig aber auch Taschen- krebse an den Anlagen angesiedelt und bewirt- schaftet werden können, dann zeigt sich hier die Richtung. Offshorewind und maritime Ressourcen aus dem Meer bleiben ein zentraler Wachstumsmotor. Mit der lange kaum beachteten Marineoperationsschule und dem DLR-Institut für den Schutz maritimer Einrichtungen bekommt das Sicherheitsthema gerade auch nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine eine neue Bedeutung. Dabei muss gelten: Sicherheit ist ein sozialdemokratisches Kernthema – und zwar nicht nur bei der Bekämpfung von Einbruchskriminalität oder Diebstahl, sondern auch beim Schutz maritimer Infrastrukturen und Einrichtungen.
Als andere vom Ende des industriellen Zeitalters gesprochen haben und Wertschöpfung durch gegenseitiges Haareschnei- den und Bankgeschäfte erzeugen wollten, haben wir konsequent auf gute Arbeitsplätze in der Industrie und den Ausbau von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung als weitere Säule gesetzt.
Für uns stehen die Arbeitsplätze im Mittelpunkt. Zur sozialdemokratischen Kernerzählung gehört ein Aufstiegsversprechen. Zwar ist dieses Versprechen heute insbesondere im schulischen Bereich mehr als brüchig. Es bleibt aber weiter richtig. Wir investieren nicht für Beifall bei Schaffermahlzeit oder Eiswette, sondern für existenzsichernde Arbeitsplätze. Für Teilhabe in der Gesellschaft. Für ein Leben frei von Not.
Wir haben mit den Havenwelten, dem Deutschen Auswandererhaus, dem Klimahaus und einer Sportbootmarina auf maritimen Tourismus gesetzt, als viele Menschen Bremerhaven für eine Sackgasse gehalten haben. Dabei war die Rechnung schon damals einfach: Jedes Jahr fahren einige Millionen Menschen an die Küste zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Maritimer Tourismus in Verbindung mit Klimaforschung und einer weiter starken Fischwirtschaft kreiert neue Erlebnisse und stärkt den Standort weiter. Wir haben ein positives Bild von Fisch, Hafen und Meer.
In anderen Städten wäre das Goethequartier in Lehe mit seinen Gründerzeithäusern Wohnen für Besserverdienende. Lange stand das Goethequartier für den Verfall einer Stadt. Hemmungsloser Spekulation und Verwahrlosung durch desinter- essierte Eigentümer haben wir einen Riegel vor- geschoben. Im Goethequartier kann man zeigen, wie Interventionen der Stadt verantwortungs- volle private Eigentümer und Investoren stützen und stärken können. Es werden Häuser gekauft und saniert. Problematische Immobilien werden überwacht und – wo sich die Möglichkeit ergibt – aufgekauft. Überbelegungen schiebt die Stadt ei- nen Riegel vor. Das ist aktive sozialdemokratische Quartiersstärkung. Mit dem Quartiersbildungs- zentrum in einer ehemaligen Schrottimmobilie, das maßgeblich von der SPD-Bürgerschaftsfrakti- on angeschoben wurde, wird der Stadtteil weiter gestärkt. Und – positiver Nebeneffekt – endlich kommt eine Krippe ins Goethequartier. So wichtig das Werftquartier im Fischereihafen ist, das Menschen in der Stadt halten und attraktives Wohnen für Neubremerhavener*innen bieten soll, die Bestandsquartiere dürfen dabei nicht aus dem Blick verloren werden.
Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie fragil unsere Gesellschaften sind. Und die Pandemie hat uns gezeigt, dass die Ökonomisierung des Gesundheitssektors ein Fehler war. Auch hier muss man sagen: Es ist viel Häme über die Bremerhavener SPD für das Festhalten am städtischen Krankenhaus der Maximalversorgung ausgeschüttet worden – heute schreibt dieses Krankenhaus schwarze Zahlen und wird weiter von uns gestärkt.