SPD kontert Arbeitgeberverbands-Kritik

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Günthner: „Mindestlohn verletzt Tarifautonomie nicht“

Awiszus: „Politik handelt, weil gute Sitten in Gefahr sind“

Bremerhaven. Die SPD Bremerhaven begrüßt den Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bereits in diesem Jahr auf zwölf Euro zu erhöhen. Darauf hatten sich bereits SPD, Bündnis ‘90/Die Grünen und FDP im Zuge der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene geeinigt und im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Den Vorwurf der Arbeitgeberseite (jüngst hatte sich dazu der Arbeitgeberverband Bremerhaven kritisch geäußert), damit würden die Empfehlungen der Mindestlohn-Kommission ausgehebelt und Tarifverhandlungen entwertet, kontert Bremerhavens SPD-Vorsitzender Martin Günthner: „Der Vorwurf entbehrt jeder Grundlage, der Mindestlohn verletzt die Tarifautonomie nicht. Schon nach der Einführung einer allgemeinen gesetzlichen Lohnuntergrenze im Jahr 2015 gab es diese Wortmeldungen und zugleich wurde der Untergang weiter Teile der Wirtschaft vorhergesagt. Es war damals Unsinn und das ist es auch diesmal. Die Anhebung ist wichtig, damit wir endlich möglichst flächendeckend zu existenzsichernden Löhnen kommen.“

Swen Awiszus, stellvertretender Bremer SPD-Landesvorsitzender, erinnert ergänzend daran, dass der Mindestlohn in Deutschland überhaupt nur deshalb eingeführt worden sei, weil die Tarifautonomie in einigen Bereichen nicht mehr funktioniere: „Nur noch jeder zweite Beschäftigte arbeitet heute in einem Betrieb, in dem es einen Tarifvertrag gibt. Vor allem in den Niedriglohnbranchen ist oft nur noch eine Minderheit der Mitarbeiter:innen tarifgebunden beschäftigt. Von zwölf Euro Mindestlohn profitieren ganz überwiegend Beschäftigte ohne Tarifvertrag.“

Hinzu komme, dass es immer noch eine Reihe von Tarifverträgen gebe, in denen einzelne Entgeltgruppen unter zwölf Euro lägen. Auf Seiten der Arbeitgeber sorgen sogenannten „OT-Mitgliedschaften“ für negative Zusatzeffekte, wenn viele Verbandsmitglieder nicht mehr an den Tarifvertrag gebunden sind. Awiszus und Günthner zeigten sich davon überzeugt, dass gerade in den Niedriglohnbranchen eine Erhöhung des Mindestlohns tarifgebundene Unternehmen gegenüber tariflosen Mitbewerbern stärken und damit das Tarifsystem stabilisieren würde.

Günther sagte, dass die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro durch die Politik und nicht durch die Mindestlohnkommission entschieden wurde, sei kein tauglicher Beleg für einen Verstoß gegen die Tarifautonomie. „Ja, in der Mindestlohnkommission ringen Gewerkschaften und Arbeitgebern auch um die Anpassung des Mindestlohns. Es sind aber keine autonomen Tarifverhandlungen, die immer auch die Möglichkeit zur Mitgliedermobilisierung und das Streikrecht mit einschließen.“ Awiszus ergänzt, am Ende sei es immer der Staat, der die Entscheidung über ein angemessenes Mindestlohnniveau treffen müsse und hierfür auch die soziale Verantwortung trage: „Die Politik ist insbesondere dann zum Handeln aufgefordert, wenn gute Sitten in Gefahr sind.“

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